Gedenkstättenfahrt nach Krakau/Auschwitz in der Oberstufe


Sich auf den Weg machen... - Erinnerung als Pflichtübung?

In Fortführung der verpflichtend Unterrichtsmodule zur Erinnerungskultur aus der Sekundarstufe I bieten wir für die Jahrgänge Q1 und Q2 der Sekundarstufe II etwa alle zwei Jahre eine Gedenkstättenfahrt nach Krakau und Auschwitz an. Diese Fahrt auf freiwilliger Basis wird in Zusammenarbeit mit dem Gesamteuropäischen Studierendenwerk e.V. in Vlotho gestaltet und beinhaltet neben einem mehrtägigen Vorbereitungsseminar eine Stadtführung und Erkundung in Krakau, den Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz sowie einen Besuch der Recklinghäuser Partnerstadt Bytom.

Eindrücke vergangener Fahrten aus seien im Folgenden wiedergegeben.

 

Die Studienfahrt der Fachschaft Geschichte führte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Jahrgangsstufen Q1 und Q2 über 6 Tage nach Ostwestfalen und Oberschlesien.

In Vlotho wurden in Vorbereitungsseminaren beim Gesamteuropäischen Studienwerk (GESW) in zwei Tagen die polnische Geschichte und die deutsch-polnischen Beziehungen erarbeitet und vertieft. Schwerpunkte waren dabei die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg, die Konzentrationslager in Polen und die polnische Politik und Gesellschaft aktuell.

Der 75. Jahrestag der Befreiung der Gefangenen in Ausschwitz-Birkenau war mit ein Anlass den Ort zu besuchen, an dem die National-Sozialisten mehr als eine Millionen Menschen umbrachten.

In Krakau erhielt die Gruppe intensive Eindrücke der Stadtgeschichte, in das kulturellenl Leben des modernen Polen und in einem Tagesausflug die Schrecken des Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Krakau2020

Abgeschlossen wurde die Fahrt auf dem Rückweg mit einem Besuch der Recklinghäuser Partnerstadt Bytom, wo die Schülergruppe eine Stadtführung und ein gemeinsames Mittagessen genießen durfte.

41 Schülerinnen und Schüler waren vom 29. Januar bis zum 4. Februar 2023 auf einer Gedenkstättenfahrt in Polen. Dort haben sie in erster Linie Zeugnisse und Gedenkstätten der deutsch-polnischen Geschichte kennengelernt. Die Fahrt war ein freiwilliges Angebot an die Jahrgangsstufen Q1 und Q2, sich der Vergangenheit zu stellen, viel neues Wissen mitzunehmen und sich auch unangenehmen Erfahrungen zu stellen.

Krakau2023

Ist es für deutsche Schülerinnen und Schüler eine - mindestens moralische - Pflicht an einer solchen Gedenkstättenfahrt teilzunehmen? Dazu muss man sich vergegenwärtigen, was der Ertrag einer solchen Erfahrung sein sollte. Dass Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren eine gewisse Verpflichtung haben, Verantwortung auch für die Geschichte ihrer Vorfahren, die Bürde der Geschichte ihres Landes zu übernehmen, sollte man daher voraussetzen. Nicht nur die Fakten zu kennen, Daten an denen Geschehnisse stattfanden, sondern vielmehr ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es damals ausgesehen hat, wie Zeitgenossen sich auf dem historischen Boden bewegt haben und zu erahnen, wie beklemmend Vieles, was in der Zeit des Nationalsozialismus v. a. auf osteuropäischem Boden passiert ist.

Das Leitbild des mündigen Wahl- oder Aktivbürgers ist ebenfalls ein Grund dafür, wieso ein solche Fahrt als Angebot einer allgemeinbildenden Schule im Deutschland des Jahres 2023 dazugehört. Durch die Erkenntnisse, die Jugendliche dort gewinnen, sei es ein schlichtes aber wirkungsmächtiges „nie wieder“ im eigenen Gedächtnis, oder der Antrieb, aktiv dagegen zu arbeiten, dass ähnlichen Tendenzen entgegengewirkt wird, können Biografien geprägt werden und echtes, demokratisches Handeln ermöglichen.

Ist es im Gegensatz dazu möglich, nur durch den Aufbau theoretischen Wissens über dass, was in erster Linie zwischen 1933 und 1945 im damaligen Deutschen Reich passierte, ein tiefes Bewusstsein zu schaffen für die abschreckenden Dimensionen? Dies ist mit Sicherheit auch eine Charakterfrage. Die unterschiedliche Wirkung eines Ortes wie Auschwitz-Birkenau auf Schülerinnen und Schüler war auch dieses Mal wieder deutlich zu beobachten. Kalt gelassen hat es niemanden. Zusammengebrochen ist aber auch niemand. Diese Art der Erfahrung lässt sich mit Sicherheit nicht über Daten und Fakten im Unterrichtsgeschehen vermitteln. Aber genauso wenig kann man Betroffenheit erzwingen.

Erinnerung ist kein Selbstzweck und deshalb kann nicht vorgegeben werden, wie zu gedenken ist. Aufgezwungene Urteile oder ein verordnetes schlechtes Gewissen sind wenig nachhaltig im Gegensatz zu den eigenen Erfahrungen und dem Austausch darüber mit Gleichaltrigen. Die Stille im Bus auf der Rückfahrt nach Krakau ist jedes Mal ein Beleg dafür, dass da etwas verarbeitet wird. Die gleichen Erfahrungen haben wir mit anderen Schülergruppen bereits in Berlin auf dem Rückweg von Sachsenhausen oder Hohenschönhausen gemacht.

Erinnerung also als Pflichtübung? Nein, so einfach lässt sich das nicht beantworten. Denn Zwang kann, besonders in dieser Altersgruppe, zu Ablehnung führen. Eben daher ist die Freiwilligkeit der Angebote seitens der Schule zu diesen Gedenkstättenfahrten so wichtig, da sie ermöglichen, sich auf den Weg zu machen, wenn man Fragen an die eigene Geschichte und vielleicht auch das kollektive Bewusstsein hat, unabhängig von den Kursanwahlen der Oberstufe.