3000 Juden aus dem Kreis Recklinghausen und dem Ruhrgebiet wurden im Ghetto von Riga ermordet. Beim Gedenken 81 Jahre später geht es um die aktuelle Gefahr.
Der Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 war das schlimmste Pogrom an Juden seit dem Holocaust. Mehr als 1.200 Menschen – vom Säugling bis zum Greis – starben. Die Opfer wurden vergewaltigt und gefoltert. Die Juden in Deutschland hätten sich damals nach mehr Empathie und Solidarität gesehnt. „Doch seit dem 7. Oktober 2023 ist die Zahl der antisemitischen Straftaten auf ein Allzeithoch gestiegen“, sagte Zwi Rappoport. Der Landesverbandsvorsitzende der jüdischen Gemeinden in Westfalen-Lippe sprach zum Riga-Gedenken auf dem jüdischen Friedhof in Recklinghausen eindringliche und auch ehrliche Worte.
Am 3. November 1943, also vor 81 Jahren, wurde das Ghetto in Riga von den Nationalsozialisten liquidiert. Die jüdischen Gefangenen, die diesen Tag überlebten, wurden in die Vernichtungslager gebracht und dort ermordet. Minna Aron, Martha des Vries und Rolf Abrahamsohn gehörten zu den wenigen Überlebenden des Holocaust. Als sie 1945 zurückkehrten, bauten sie in Recklinghausen die jüdische Kultusgemeinde wieder auf und erklärten den ersten Sonntag im November zum Gedenktag an die Deportation nach Riga. Die Frage nach dem Warum, die Forderung nach dem „Nie wieder“, die Mahnung, die Geschichte nicht zu vergessen, bestimmen seitdem diese Gedenkfeiern.
„Doch heute erleben wir offenen Antisemitismus aus allen politischen Richtungen“, beklagte Zwi Rappoport: „Der Judenhass explodiert auf deutschen Straßen.“ Es sei Zeit aufzustehen, forderte er von Verantwortungsträgern wie Bürgern gleichermaßen: „Wer heute schweigt, macht sich mitschuldig.“
Auch Landrat Bodo Klimpel kritisierte die Gleichgültigkeit gegenüber wachsendem Rechtsextremisus, der längst nicht mehr an Springerstiefeln zu erkennen sei und erinnerte an die Parolen der „Prosecco-Nazis von Sylt“ im vergangenen Sommer.
Schüler des Gymnasium Petrinum aus einem Grundkurs der Stufe Q2 unter Leitung von Gesa Sebbel hingegen haben sich im Vorfeld der Gedenkfeier mit den Berichten von Zeitzeugen der Pogromnacht am 9. November 1938 und des 24. Januar 1942, der Tag, an dem die jüdischen Recklinghäuser zunächst nach Gelsenkirchen und dort am 27. Januar nach Riga deportiert wurden, auseinandergesetzt.
Um Gewalt, Erniedrigung, Schmähung, Brutalität, Erbarmungslosigkeit und auch das Wegsehen ging es in diesen schmerzhaften Berichten. Dem gegenüber stellten die Jugendliche ihre Gedanken und Empfindungen, ihre Fassungslosigkeit, wie Menschen in Recklinghausen ihre Mitbürger so grausam oder auch gleichgültig behandeln konnten, sich über ihr Leid gar amüsiert haben. Ihr für immer gültiges Fazit: „Wir haben den Wunsch, dass Menschen als Menschen aufeinander zugehen.“