Gefallene Petriner des Ersten Weltkriegs


29 Namen sind seit 90 Jahren auf der großen Gedenktafel im Foyer im ersten Obergeschioss des Altbaus im Gymnasium Petrinum verewigt, Namen ehemaliger Schüler und eines angehenden Lehrers, die im Ersten Weltkrieg als Soldaten ihr Leben ließen. Und dieses Denkmal wirft bei Gästen immer wieder Fragen auf, wie Schulleiter Michael Rembiak erklärt. Und zwar auch kritische. Deshalb erklärt eine Info-Tafel, die nunmehr in einer Feierstunde enthüllt wurde: „Jedweder Verherrlichung oder ideologischer Überhöhung einer früheren Kriegsteilnahme begegnen wir mit Ablehnung, betrauern aber dennoch jedes einzelne Mitglied der Schulgemeinschaft, das in kriegerischer Auseinandersetzung den Tod fand.“

Ehrenmal

1929 wurde die Haupttafel angebracht, 1937 folgten zwei weitere mit Ehemaligen, die an der Front fielen. Als es noch keine Aula gab, fanden dort im ersten Stock des Altbaus, der sogenannten Ehrenhalle, nicht nur wichtige schulische Veranstaltungen statt, sondern regelmäßige Gedenkfeiern für die im Weltkrieg Gefallenen – bis Mitte der 60er-Jahre kritische Stimmen und ein neues Verständnis des Gedenkens aufkamen.

Solche Ehrenmale, wie sie im Gymnasium Petrinum hängen, zeigen die Vernichtungsdimension der neuartigen Kriegswaffen, dienten vor allem zur Sinnstiftung angesichts der Massentoten. Für viele waren sie auch Grabsteinersatz. Vor allem aber können sie als nachträgliche Legitimierung betrachtet werden.

Mit den beiden neu angebrachten Erklärungstafeln wollen sich die Petriner also von der Verherrlichung eines sinnlosen Todes distanzieren, aber auch gleichzeitig ein Stück Schulgeschichte erzählen und mahnend in Erinnerung halten. Immer wieder stand auch die Überlegung im Raum, die Tafeln abzunehmen. Doch die Schule entschied sich dagegen. „Wir wollen Geschichte hier zum Erfahrungsraum werden lassen“, erklärt Geschichtslehrer Dr. Marco Zerwas, der die Hintergründe der Denkmäler aufgearbeitet hat. So werden die großen Namenslisten im Altbau-Foyer zu Erinnerungsstücken, die mahnen, den Frieden zu wahren.

Der vollständige Text der Erklärungstafeln ist im Folgenden wiedergegeben.

Zur Geschichte des Kriegerdenkmals im Gymnasium Petrinum

Die beiden Weltkriege hinterließen tiefe Spuren in der Petriner Schulgeschichte. Bereits kurz nach Kriegsbeginn 1914 traten 51 Primaner und Sekundaner des Gymnasium Petrinum in das Heer ein, viele als Freiwillige. Insgesamt nahmen mehr als 150 Schüler am Ersten Weltkrieg teil. 28 dieser Schüler fielen im Kriegseinsatz, ebenso wie der Studienassessor Franz Hennes.

Die Gedenktafeln für die Toten des Ersten Weltkrieges zeigen die völlig neuartige Vernichtungsdimension dieses in die Zivilgesellschaft einschneidenden Ereignisses: In diesem ersten industriell geführten „modernen“ Massenkrieg starben weltweit 17 Millionen Menschen – und von den über 13 Millionen deutschen Soldaten fanden annähernd 2 Millionen den Tod auf den Schlachtfeldern. Zahllose Denkmäler in ganz Europa und in jedem Ort und in jeder Stadt in Deutschland spiegeln das in allen kriegsbeteiligten Nationen gleichermaßen praktizierte Totengedenken wie auch die kollektive Traumatisierung eines ganzen Kontinents durch die Schrecknisse dieses Krieges.

Zum Gedenken an diese Gefallenen wurde am 28.09.1929 in der Halle im 1. Stockwerk des heutigen Altbaus des Petrinum im Rahmen der 500-Jahr-Feier der Schule ein Gefallenendenkmal eingeweiht, die mittlere Haupttafel von heute drei Gefallenentafeln. Anwesend beim Festakt waren damals die Stadthonoratioren und Vertreter der katholischen, evangelischen und israelitischen Gemeinde. Die Kosten wurden durch eine Sammlung bei ehemaligen Abiturienten, bei Lehrer und Schülerschaft gedeckt. In goldenen Buchstaben auf weißen Marmor mit einer Zierumrandung aus schwarzem Marmor führt die Gedenktafel in den Maßen 195cmx85cm die Namen der gefallenen Petriner Schüler und Lehrer auf. Unter dem Relief eines mit Eichenlaub verzierten Stahlhelms und der Wendung „Für das Vaterland starben“ werden von oben nach unten zunächst Studienassessor Franz Hennes, dann die Oberprimaner, Unterprimaner, Obersekundaner und Untersekundaner mit vollem Namen und Todesdatum benannt.

In der Jubiläumsfestschrift von 1929 äußerst sich der damalige Schulleiter Dr. Paul Verres zum Sinn und Zweck der Gedenktafel, auf der die Namen der 29 Gefallenen mahnend vor Augen stehen: „Noch späteren Geschlechtern werden sie Zeugnis ablegen von der freudigen Opferwilligkeit, mit der ihre Träger als die Not des Vaterlandes sie rief, für dessen Ehre und Rettung ihr junges Leben dahingaben.“

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Funktion des Gefallenendenkmals instrumentalisiert und das Denkmal selbst erweitert. 1937 wurde die Haupttafel nach einem Beschluss der Lehrerkonferenz vom 30.09.1937 um einen Wandspruch ergänzt: „Wissen weckt Wächter auf dem Land“. Die vorhandenen Quellen geben keine Auskunft darüber, wann er wieder entfernt worden ist. Dies gilt ebenso für ein Eisernes Kreuz, das an der Unterseite der mittleren Haupttafel angebracht war und dessen Bohrungen noch zu erkennen sind. Die ursprüngliche Haupttafel wurde im Jahr 1939 um zwei Nebentafeln rechts und links mit den Namen der weiteren 44 im Ersten Weltkrieg gefallenen ehemaligen Schüler des Petrinum ergänzt. Dabei wurde der 1916 vor Verdun gefallenen jüdische Abiturient Fritz Cohen (Abiturientia 1914) bewusst verschwiegen. Die ergänzten Tafeln sind in den Maßen 140cmx85cm etwas kleiner als die ursprüngliche Mitteltafel, die Schrift ist in schlichtem Grau gehalten. Aufgeführt sind die Gefallen, chronologisch nach ihrem Todesjahr geordnet von links oben nach rechts unten, mit Ihren vollen Namen, jedoch ohne genaues Todesdatum.

Das Foyer im ersten Stockwerk gewann dabei, da es noch keine Aula in der Schule gab, als Versammlungsort und sogenannte Ehrenhalle an Bedeutung, in der alle wichtigen schulischen Veranstaltungen stattfanden. Im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltung standen bei feierlichen Anlässen zwei Hitlerjungen in Uniform mit der schuleigenen Hakenkreuzfahne rechts und links neben den Tafeln. Die auf den Tafeln genannten Gefallenen wurden als Idole und Vorbilder für Treue, Opferwilligkeit und Heldentum glorifiziert.

Die Schulgemeinschaft des Gymnasium Petrinum distanziert sich von mit Waffen und Gewalt ausgetragenen Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen und innerhalb von Staaten und Nationen. Die dabei stattfindenden Gewalthandlungen widersprechen unserem von einem humanistischen Menschenbild getragenen Wertekanon, indem die stattfindenden Gewalthandlungen gezielt die körperliche Unversehrtheit des Individuums angreifen. Jedweder Verherrlichung oder ideologischer Überhöhung einer früheren Kriegsteilnahme begegnen wir mit Ablehnung, betrauern aber dennoch jedes einzelne Mitglied der Schulgemeinschaft, das in kriegerischer Auseinandersetzung den Tod fand und damit unfassbares menschliches Leid über Familien und Freunde brachte. Die hier installierten Erinnerungstafeln mahnen uns bis in die Gegenwart, dass unsere Hoffnung einer Versöhnung unter den Menschen gilt. Es liegt in unserer Verantwortung, fortwährenden Frieden in der ganzen Welt zu stiften.